
Exportorientierte Volkswirtschaften stehen zunehmend unter Druck: Protektionismus, Lieferkettenstörungen und sich wandelnde Marktdynamiken prägen den globalen Handel neu. Diese Analyse beleuchtet, wie Italien, Deutschland, Kanada und die nordischen Länder in ihren jeweils bedeutendsten Branchen auf diese Herausforderungen reagieren.
Italien: Unterschiedliche Belastungen je Branche
Luxussektor zeigt Widerstandskraft
Italiens Luxusindustrie bleibt trotz internationaler Spannungen stabil. Prestigebrands wie Ferrari konnten ihre Preise für den US-Markt um 10–15 % erhöhen – ohne nennenswerte Auswirkungen auf die Exportzahlen, so Roberto La Caria (Managing Partner bei STM). Zwar spüren Marken wie Armani und Prada rückläufige Nachfrage aus China und durch Sanktionen gegen Russland, doch die Luxusproduktion ist nahezu vollständig in Italien lokalisiert und größtenteils konsolidiert unter ausländischer – v. a. französischer – Führung:
„Die Lieferkette für italienischen Luxus ist fast zu 100 % lokal.“
Lebensmittelindustrie: Vorübergehende Unterbrechung
Premium-Lebensmittel wie Prosecco und Parmesan waren infolge der US-Zölle etwa 3–5 Wochen lang betroffen. Da die US-Preise jedoch 5–10-fach über den italienischen liegen, seien Margen ausreichend, um die Kosten zu absorbieren. Auch hier dominiert ausländisches Eigentum (70 % in französischer Hand).
Maschinenbau in der Krise
Italiens Maschinenbau leidet unter der Schwäche der deutschen Autoindustrie (z. B. VW –43 % in Q1 2025). Besonders in Nordostitalien, einem bedeutenden Produktionsstandort, sind 60–70 % der Kapazität auf den Automobilsektor ausgerichtet. Zudem ziehen Gerätehersteller ihre Produktion nach Osteuropa und in die Türkei, während chinesische Autoimporte wie BYD Teslas und deutsche Modelle überholen:
„Italien war noch vor 20 Jahren zweitgrößter Automobilproduzent in Europa. Jetzt sind wir der größte Importmarkt für chinesische Fahrzeuge… Eine dramatische Entwicklung.“
Deutschland: Tiefgreifende strukturelle Herausforderungen
Ein wachsender Druck durch weltweite Handelskonflikte, insbesondere mit den USA, trifft Deutschlands Automobil- und Maschinenbausektor. Rund 13 % der deutschen Autoexporte entfielen 2024 auf die USA, und Maschinenausfuhren verzeichneten um 5 % rückläufige Umsätze durch schwächere Nachfrage, berichtet Markus Nakanishi (Partner bei Valtus Deutschland).
Unternehmensstrategien zur Gegensteuerung:
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Verlagerung der Produktion nach Osteuropa (z. B. Polen)
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Expansion in Nordafrika (Tunesien, Marokko)
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Neue Investitionen außerhalb Deutschlands
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Kapazitäts- und Personalabbau im Inland
Viele Unternehmen setzen auf neue Märkte (z. B. Türkei), nachhaltige Technologien und Automatisierung. Die Bundesregierung plant Programme zur Unterstützung des Elektrofahrzeug-Verkaufs, was bereits jetzt auf eine „Produktionsbeschleunigung“ vorbereitet, so Nakanishi.
Nordische Länder: Handelsexperten mit logistischer Sensibilität
Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland verfügen zwar nur über etwa 27 Mio. Einwohner, agieren jedoch als starke, exportabhängige Volkswirtschaften mit hoher logistischer Infrastruktur. Henrik Höjsgaard (Partner bei Nordic Interim) betont die Bedeutung effizienter Lieferketten für internen und externen Handel.
Exportstark in Schlüsselbranchen:
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Norwegen: ca. 25 % des globalen Lachsmarkts
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Schweden: Automobilindustrie
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Weitere Schwerpunkte: Maschinenteile, Windenergie- und Offshoretechnologien zur Unterstützung des Öl‑ und Gassektors
Dank ausgeprägter S&OP-Expertise bleiben die Nordics auch bei Handelsstörungen wettbewerbsfähig. Höjsgaard warnt: Handelsunterbrechungen über 12 Monate könnten dauerhafte Lieferketten-Umstrukturierungen erzwingen, während kürzere meist temporäre Anpassungen nach sich ziehen.
Kanada: Massive Herausforderungen über die Grenze hinweg
Kanadas Schlüsselbranchen sehen sich mit erheblichen Belastungen konfrontiert: US-Zölle gefährden langjährige Handelsbeziehungen und zwingen Unternehmen zu höherer Effizienz, Produktivität und Aggressivität, so Benoit Creneau (CEO xNorth).
Automobilsektor: Neue US-Zölle stören die stark integrierte nordamerikanische Lieferkette. Teile überqueren die Grenze oft mehrfach, was zu Auftragsrückgängen führt (z. B. GM streicht dritte Schicht im Oshawa-Werk).
Energie- und Metallbranche: Alberta liefert rund 25 % des US-Ölbedarfs. Trotz Zöllen steigt der Druck – Kanada hebt Schwankungen durch Aluminiumvorräte auf, doch Stahlexporte bleiben rückläufig.
Gegenstrategien:
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Diversifikation in Europa und Asien
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Nutzung bilateraler G7-Freihandelsabkommen
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Staatliche Exporthilfen: über 6,5 Mrd. C$ zur Marktdiversifizierung und Arbeitsplatzsicherung
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Innovation, Digitalisierung und Kosteneffizienz auf Unternehmensebene
Der Fokus liegt auf global aufgestellten Führungskräften und Interim Management, um schnelle Reaktionsfähigkeit in einem volatilen Umfeld zu gewährleisten. Interim CEOs, Supply-Chain-Expert:innen und CFOs sorgen für operative Umstrukturierungen und Expansion – ein zukunftsfähiges Modell für volatile Zeiten.